
Anne Frank | Im Film: Das Tagebuch der Anne Frank (2016)
Als Abschluss meiner Themenwoche zu Anne Frank möchte ich euch heute eine der Verfilmungen vorstellen. Das Leben Anne Franks wurde schon dutzendmal verfilmt. Am aktuellsten ist die Verfilmung unter der Regie von Hans Steinbichler, die 2016 während der Berlinale Premiere feierte. Meine Wahl traf eher willkürlich auf dieses Biopic, da die DVD mir in meiner Stadtbücherei in die Hände fiel. Andere Verfilmungen habe ich nie gesehen. Dennoch denke ich, dass besonders einige meiner Kritikpunkte für sämtliche Verfilmungen gelten, da sie dem Medium Film an sich geschuldet sind.
Weitere Beiträge der Themenwoche
· Auftakt ·
· Anne in ihren eigenen Worten: Das Tagebuch ·
· Anne in der Erinnerung: Das Anne Frank Haus in Amsterdam ·
Das Leben im Hinterhaus
Insgesamt folgt der Film relativ genau den Ereignissen, die Anne in ihrem Tagebuch schildert. Dabei unterliegt er jedoch natürlicher Weise den Restriktionen des Mediums Film. Zum einen wäre da die Zeit. Mit gut zwei Stunden läuft der Film schon etwas länger als der durchschnittliche abendfüllende Fernsehfilm. Dennoch bleibt unmöglich genug Zeit, dem Leben im Hinterhaus entsprechend viel Raum zu geben, wie es Annes Tagebuch tut. Als Folge gehen die zwei Jahre im Versteck wie Monate vorüber. Während es leichtfällt, dem Tagebuch eine gewisse Sprunghaftigkeit zwischen den Einträgen zu verzeihen, kann der Film nur unstrukturiert wirken. Leider kommt dabei auch die Entwicklung der Personen und ihren Verhältnissen untereinander dabei etwas zu kurz. Doch die herausragende Leistung der Darsteller macht dieses Manko beinahe wieder wett. Der gesamte Cast vermag es, die Persönlichkeiten der einzelnen Personen einzufangen und glaubhaft zu verkörpern.
Anne
Es leigt in der Natur des Mediums Film, dass er stets nur eine Außenperspektive einnehmen. Das Tagebuch zeigt Annes Innerstes und ihren Blick auf die Welt. Als Leser*in fühlt man sich dadurch dem Mädchen direkt verbunden. Hingegen bildet die Kamera alle Personen gleichermaßen ab. Geschickt wird versucht, dieses Dilemma zu umgehen, indem die Kamera fast nur Anne folgt. Zusätzlich zitiert Anne-Darstellerin Lea van Acken Passagen aus dem Tagebuch als Over-voice. Insgesamt verkörpert van Acken Anne unverschönt und ehrlich, fängt ihre zarte Verträumtheit ebenso ein wie ihren Starrsinn. Damit schöpft der Film alle seine Möglichkeiten aus, um Anne als Erzählerin und Hauptperson des Films zu etablieren. Doch letztlich muss er den Grenzen des filmisch Möglichen erliegen und kann seinen Zuschauer*innen Anne nicht annährend so nahebringen, wie es das Tagebuch tut. Dabei ist es doch gerade Annes Wesen und nicht primär die erzählten Ereignisse, die den Wert des Tagebuchs ausmachen.

Über das Tagebuch hinaus
Obwohl der Film den Titel Das Tagebuch der Anne Frank trägt, erzählt er ihre Geschichte etwas darüber hinaus. So beginnt er ein paar Jahre zuvor, als die Familie Frank Deutschland verlässt und in die Niederlande auswandert. Die Franks verbringen sommerliche Tage bei ihren Verwandten in der Schweiz und die Bergkulisse wird später zum Hintergrund, wann immer sich Anne aus dem Hinterhaus herausträumt. Allein diesen Ansatz empfand ich als merkwürdig, gibt das Tagebuch doch keinen Hinweis auf einen besonderen Bezug Annes zur Schweizer Bergwelt.
Am Ende erzählt der Film einfach über das Ende des Tagebuchs hinaus, zeigt die Stürmung des Hinterhauses, erzählt vom Abtransport und endet schließlich mit der Ankunft in Auschwitz. Annes Schicksal nach Ende des Tagebuches ist dokumentiert, der Film zeigt hier also keine haltlosen Spekulationen. Und doch: Annes Stimme ertönt weiterhin aus dem Off und lässt die Zuschauer*innen an ihren vermeintlichen Gedanken teilhaben. Zitierte die Over-voice bisher jedoch wortwörtlich Passagen des Tagebuchs, fehlt jetzt (meines Wissens) die reale Vorlage. Sich derart Annes Stimme zu bemächtigen, um die Handlung zu einem möglichst aufregenden und emotionalen Ende zu bringen, fühlt sich für mich falsch an. Zum Verständnis des Films ist es nicht nötig, die Verhaftung und das Konzentrationslager zu sehen. Es wirkt, als müsse der Film erzwungen mit einem Paukenschlag enden, wo Annes Tagebuch einfach verstummt.
Ergänzung zum Tagebuch
Abgesehen von Anfang und Ende wird der Film dem Tagebuch so gerecht, wie es ein Film eben kann. Wer das Tagebuch kennt, dem kann der Film helfen, das Gelesene um eine weitere Dimension zu erweitern. Tatsächlich empfand ich einzelne Szenen, wie beispielsweise die Bombardierung durch die Alliierten im Film eindrücklicher als in Annes Schilderung. Doch eine Lektüre des Tagebuchs kann und sollte die Verfilmung niemals ersetzen.
TITEL Das Tagebuch der Anne Frank
REGIE Hans Steinbichler
DREHBUCH Fred Breinersdorfer
LAUFZEIT 128 min
JAHR 2016
Quelle Coverbild: DVD/Blu-ray Das Tagebuch der Anne Frank, Universal Pictures

